Vor vielen Monaten habe ich mir Gedanken gemacht, welche Entwicklungen die Sportart Flag Fooball in Deutschland voranbringen würden (hier). Was hat sich seitdem getan? Nicht viel. Leider. Die angekündigten weiteren regionalen Ligen gab es nie und mittlerweile gibt es auch keine organisierte Liga in Hessen mehr. Somit ist NRW das letzte Bundesland, in dem es einen Ligabetrieb für 5v5 Senior-Flag gibt. Weiterhin gibt es in Deutschland immer noch die DFFL, die im Modus 9v9 ausgetragen wird. Meine drei vorgetragenen Wünsche (Bekenntnis der Verbände, klare organisatorische Struktur, Internetplattform) sind leider nicht in Erfüllung gegangen. 5v5 Flag Football findet in Deutschland immer noch vor allem auf Fun-Turnieren statt. Insgesamt hat sich die Situation für 5v5 Flag Football in Deutschland mittlerweile sogar verschlechtert. Aber die Nationalmannschaften des AFVD nehmen immer noch an internationalen Titelkämpfen teil. Im Folgenden will ich beurteilen, welche Entwicklung die Nationalmannschaften (Herren und Damen) genommen haben.
Europameisterschaft 2013
In 2013 fanden die Europameisterschaften in Pesaro, Italien, statt. Die Herren wurden
Siebte und die Frauen errangen Platz 5. Am 25.09.2013 kündigte der Team Manager der Nationalmannschaften Sebastian Schumacher auf der (inoffiziellen) Internetseite der Nationalmannschaften einen ausführlichen Bericht und ein Fazit der Coaches an (hier). Seitdem gab es keine weitere Veröffentlichung und insgesamt wird die Seite leider nicht kontinuierlich gepflegt.
Dabei sind die erreichten Platzierungen unter Anbetracht der vorhandenen Möglichkeiten sicher nicht zufriedenstellend und eine Stellungnahme von Seiten der Coaches wäre wünschenswert gewesen. Immerhin handelt es sich bei den Mannschaften, um offizielle Nationalmannschaften des AFVD. Bei den Herren nahmen 10 Teams teil, bei den Frauen sogar nur 6. Deutschland blieb damit bei den Herren nur vor Großbritannien, Irland und der Tschechei. Bei den Frauen konnte nur Italien auf den letzten Platz verwiesen werden. Schon im Vorjahr konnten die Herren mit Platz 10 (von 16) und die Frauen mit Platz 7 (von 12) bei den Weltmeisterschaften kaum überzeugen. Die Herren waren aber damals das sechsbeste europäische Team und die Frauen mussten sich nur drei europäischen Teams geschlagen geben. Das mäßige Jahr 2012 wurde daher von einem schlechten Jahr 2013 getoppt.
Die Entwicklung
Vor allem die Entwicklung ist hierbei beängstigend. Die Männer traten 2009 das erste Mal als Auswahlteam an. In den Vorjahren wurde immer der jeweilige deutsche Meister entsandt (bis 2009 die Kelkheim Lizzards). Zufällig gab es in 2009 einen neuen deutschen Hallenmeister (Walldorf Wanderers) und eine neue Methode die Nationalmannschaft zusammenzustellen. In 2009 wurden die Männer Vierter bei den Europameisterschaften in Dublin. Sie kamen bis ins Halbfinale und verloren danach das Spiel um Platz 3. Die Frauen wurden auch 2009 schon Fünfte, die Nationalmannschaft befand sich allerdings damals erst im Aufbau und trat zu ihrem ersten internationalen Turnier an. Vier Jahre sind vergangen und die Teams haben sich im internationalen Vergleich verschlechtert. Sebastian Schumacher hatte allerdings nach der Europameisterschaft 2009 in Dublin angekündigt, “dass wir (…) sowohl bei den Herren, als auch bei den Damen einen Entwicklungsvorsprung zu den Spitzenteams (…) verkürzen wollen“. Hat wohl nicht geklappt.
Die Spieler
Als erstes lässt sich die Vermutung anstellen, dass eventuell das Spielermaterial schlecher ist als vor vier Jahren. Dem ist aber definitiv nicht so. Alleine in der Männer-Offense gegen Dänemark waren bei der EM in diesem Jahr zeitweise nur GFL-erfahrene Footballspieler auf dem Feld. Soviel Talent und Athletik hat wohl selten in einer Flagfootballnationalmannschaft zusammen gespielt. Aber diese Spieler sind keine Flag-Spieler sondern vor allem in “normalen” American Football Mannschaften dieses Landes aktiv und spielen 5v5 Flag Football sehr unregelmäßig. Sowohl bei der Herren- als auch bei der Damennationalmannschaft waren ca. die Hälfte der SpielerInnen keine reinen Flag Football SpielerInnen sondern Aktive im Tackle-Bereich. 2009 war der Anteil noch nicht so hoch. Aktive American Football Spieler müssen sich natürlich auf Flag Football umstellen. Dänische und österreichische Spieler, die Woche um Woche in ihren nationalen Ligen auf hohem Niveau Flag Football spielen, sind an die Umstände des Spiels gewöhnt und haben hier einen Vorteil. Die Ergebnisse der letzten Turniere sprechen hier eine eindeutige Sprache.
Die Coaches
Die Situation bei den Coaches ist bei den Männern und bei den Frauen sehr unterschiedlich. Bei den Männern gibt es jahrelange Konstanz auf diesen Positionen. Bei den Frauen gab es vor 2013 einen Wechsel des kompletten Coaching Teams. Trotzdem gab es im Männer Team (wie auch bei den Frauen) in 2013 viele Rookies. In den letzten Jahren gab es ingesamt eine hohe Spielerfluktuation vor allem im Herrenteam. Dabei stellt sich die Frage, welche Philosophie die Coaches verfolgen und warum nach vier Jahren Auswahlmannschaft nicht eine größere Konstanz auf Spielerebene erreicht wurde.
Die Coaches des Männer Teams entscheiden sich regelmäßig American Football Spieler zu nominieren, die bei Trainingslagerterminen durch Spieltermine ihrer Vereinsteams nur eingeschränkt Zeit haben und nicht mit Bestimmtheit für Turniere zusagen können, da sie eventuell an Playoffs mit ihren Liga-Teams teilnehmen könnten. Die Flagfootballnationalmannschaft ist in diesen Fällen für manche Spieler nur Option B. Es ist für mich nicht nachzuvollziehen, warum akzeptiert wird, dass eine offizielle Verbandsnationalmannschaft nur Option B darstellt. Weiterhin wird durch diese Vorgehensweise verhindert, dass die Trainingslagertermine optimal genutzt werden können. Es stellt sich die Frage, ob mit dieser Vorgehensweise Top-Resultate erzielt werden können, da diese Teams einen Nachteil gegenüber Teams auszugleichen haben, bei denen eine bessere Anwesenheitsquote in Trainingslagern vorliegt. Eventuell sollte hier die Spielerauswahl überdacht werden?
Die Coaches des Frauenteams hatten 2013 mit vielen Verletzungen zu kämpfen und versuchten eine neue Philosophie durchzusetzen. Ich bin gespannt, wie sie in Zukunft die Doppelbelastung ihrer Spielerinnen zwischen Flag Football und Tackle Football angehen werden. Ich hoffe Sie schaffen es, um den bestehenden Spielerkern herum ein funktionierendes Team aufzubauen, welches auch mal bei einem internationalen Turnier zeigt, was in ihm steckt. Für ein abschließendes Urteil ist es an dieser Stelle bei den Frauen zu früh.
Fazit
Die Flag Football Nationalmannschaften haben sich in den letzten Jahren an den allgemeinen Trend von 5v5 Flag Football in Deutschland angeschlossen und sind nicht besser sondern im internationalen Vergleich sogar schlechter geworden. Am Spielermaterial liegt es meiner Meinung nach nicht. Allerdings sollten sich die Verantwortlichen die Frage stellen müssen, warum es in den letzten Jahren trotz des überragenden Talents mit den Resultaten nicht geklappt hat. Die Nationalmannschaften haben dabei nicht nur ein mäßiges Jahr hinter sich. Bei den Männern gibt es einen etwas längeren Abwärtstrend unter dem bestehenden Coaching Team, Änderungen in diesem Bereich scheinen aber nicht anzustehen. Ich werde auch 2014 während der WM in Jerusalem wieder für die Nationalmannschaften die Daumen drücken, und hoffe auf verbesserte Ergebnisse. Alle SpielerInnen hätten es verdient!