Sportbuch 06/2016: Das Ende der Zahlenrätsel beim Fußball

“Ich liebe dich.” – Tobias Escher hat mit Vom Libero zur Doppelsechs: Eine Taktikgeschichte des deutschen Fußballs ein Buch geschrieben, das die taktische Entwicklung des deutschen Fußballs in seiner Gesamtheit zum Inhalt hat. Viele Rezensionen beginnen damit, wie er überhaupt dazu gekommen ist im September 2010 damit anzufangen, über Taktik im Fußball zu schreiben (“Eigentlich war mir nur langweilig”). Viel wichtiger ist im Hinblick auf das Buch aber wohl, wie er dieses tolle Buch fertigstellen konnte. Und nachdem auch ich ohne die Unterstützung meiner Frau nie da gelandet wäre, wo ich heute bin, kann man die Liebe und Unterstützung seiner Frau Katharina ruhig nochmals hervorheben. Danke Katharina, dass Du Tobias unterstützt hast. Das Ergebnis ist sehr gut geworden und mir hat die Lektüre viel Spaß gemacht und mein Wissen über Fußballtaktik erweitert.

Sportbuch 06/2016: Passt perfekt zur EM. Vermittelt grundlegendes sehr anschaulich und lesbar.

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Nun könnte man denken: Mensch Andy, Du hast einen Nerdjob (ja, habe ich) und Fußballtaktik ist doch was für Nerds, also muss Dir dieses Buch doch gefallen. Das stimmt so allerdings nicht. Gerade weil mein beruflicher Alltag aus Erbsen zählen besteht, bin ich jemand, der in seiner Freizeit nicht auch noch zu analytisch an manche Dinge herangehen will. Am Fußball fasziniert mich immer noch am meisten, wie er Menschen zusammenbringt und einen Verbindungspunkt schafft. Trotzdem will ich zumindest in Ansätzen verstehen, was warum auf dem Rasen passiert.Ich habe den Aus-Schalter für meinen Kopf noch nicht gefunden.

Für diese Grundlage ist das Buch von Tobias Escher bestens geeignet. Vor allem in den späteren Teilen, die der Autor selbst miterlebt hat, sind die Erzählungen sehr bildlich und die Thesen gut ausgearbeitet und begründet. Aber auch die Darstellung der Taktik noch im 19. Jahrhundert ist amüsant zu lesen. Ein Spiel in der Anfangszeit des Fußballs hätte ich ja zu gerne gesehen.

Mir ist es dabei besonders wichtig zu verstehen, warum Personen welche Handlungsweise an den Tag gelegt haben. Man kann es sich dabei einfach machen und behaupten, dass z.B. Jürgen Klopp ein Autodidakt ist und das Thema abhaken. Tobias Escher stellt allerdings sehr schön dar, wie sich Klopps Spielphilosophie aus seinen eigenen Erfahrungen unter Wolfgang Frank, über seine Zeit in Mainz bis zu den Jahren bei Borussia Dortmund entwickelt hat. Die Entwicklung von Fußballtaktik ist in vielen Fällen an bestimmte Persönlichkeiten (u.a. Sepp Herberger, Hennes Weisweiler) gekoppelt. Ohne die Person zu verstehen, wird man nie nachvollziehen können, auf welchem Fundament die Strategie einer Mannschaft basiert. So setzen manchen Menschen Prinzipen (den “totalen Fußball”) über den Erfolg und manche Menschen würden alle notwendigen Maßnahmen (auch das häßlichste Catennacio) für den Erfolg einsetzen. Persönlichkeiten und Charaktäre werden über Strategie und Taktik einer Mannschaft auf dem Feld abgebildet. Tobias Escher gelingt es sehr gut die Persönlichkeiten der wichtigsten Trainer im Bezug auf die deutsche Fußballhistorie einzufangen und ihre strategische Abbildung auf dem Feld zu beschreiben, ohne sich auf diesen Aspekt zu sehr zu fokusieren.

Von der systematischen Darstellung von taktischen Formationen sollte man sich dabei nicht abschrecken lassen, denn mit diversen Zahlenkombinationen wie 4-4-2 hat das Ganze eigentlich nichts zu tun. Die Strategie und Taktik einer Mannschaft lässt sich über eine starre Beschreibung der taktischen Formation nicht einfangen. Die Bilder sind dabei nur eine hilfreiche Illustration der schriftlichen Beschreibung. Und wie schon erwähnt, ist diese spannend zu lesen und zudem inhaltlich aufschlussreich und begründet. Zudem ist die Darstellung fokusiert und nicht zu lang. Das Thema bietet unfassbare Möglichkeiten abzuschweifen. In diese Falle ist Tobias Escher nicht getappt. So befürchte ich, dass man sich mit dem Wissen aus diesem Buch bald nicht mehr Abheben kann. Der Geruch der Seiten schreit Standardwerk.

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