Die Serie hält und ich komme immer noch genügend zum Lesen, um hier jeden Monat ein Buch vorzustellen, das sich mit Sport beschäftigt. Ich habe mir in den letzten Wochen sogar ein kleines Polster geschaffen und zwischendurch hat zum ersten Mal Tolstoi gepasst. Etwas deprimierend, also direkt zurück zu den inspirierenden Werken. Das Sportbuch im Monat Mai handelt wieder vom geliebten Fußball. Die Perspektive ist dennoch eine andere als sonst. Das Buch ist zwar eine Biografie aber keines Spielers oder Trainers. Der ehemalige Weltklasseschiedsrichter Urs Meier hat erst vor kurzem seine Erinnerungen (Mein Leben auf Ballhöhe) veröffentlicht und nachdem die Rolle der Schiedsrichter immer noch nicht genügend Beachtung findet, habe ich dieses Buch gerne gelesen. Die Rolle der Schiedsrichter ist zwar vor allem durch Collinas Erben etwas mehr in den Fokus gerückt, die Leistung dieser Personengruppe kann aber noch deutlich mehr verdiente Wertschätzung erfahren. Die Aufgabenstellung ist schwierig, dass Spiel wird immer fordernder und ich gestehe, dass auch ich Schiedsrichter für ihre Fehler hart kritisiere.
Urs Meier ist in der breiten Öffentlichkeit ein bedeutender Botschafter für die Anliegen der Schiedsrichter. Während Schiedsrichter meist immer noch ein Außenseiterimage haben ist Urs Meier so slick wie das als Schiedsrichter nur möglich ist. Er kann den Anliegen von Schiedsrichtern Gehör verschaffen, denn er ist zuallererst äußert kompetent und kann dieser Kompetenz in der Öffentlichkeit durch sein selbstbewusstes und cooles Auftreten auch noch Gewicht verleihen. Deshalb ist es so wichtig, dass im Mittelpunkt des Buchs zwar Urs Meiers Schiedsrichterlaufbahn steht, diese jedoch von ihm bewusst eingebettet wurde in Forderungen gegenüber den Verbänden, um Schiedsrichterleistungen in der Zukunft zu verbessern. Urs Meier fordert hierfür zuallererst ein Profischiedsrichtertum. Bei den Beträgen, die im Fußballgeschäft im Umlauf sind, ist es wahrlich verwunderlich, dass Schiedsrichter diese Aufgabe nur in Teilzeit übernehmen und nicht die ganze Woche über trainieren oder sich vorbereiten. Nach der Lektüre seiner Darstellung, kann ich seine Meinung in dieser Hinsicht sehr gut nachvollziehen, dass Profischiedsrichter weniger Fehler machen würden.
Wenn man die einzelnen faszinierenden Erlebnisse von seiner Ausbildung zum Schiedsrichter, seinen Einsätzen in den schweizerischen Ligen und international bei Champions League Spielen oder Europa- und Weltmeisterschaften liest, so wird eines recht schnell klar: Urs Meier liebt den Fußball. Und Urs Meier will, dass es beim Fußball fair zugeht. Um ein faires Spiel zu erreichen und eine unbelastete Stimmung zu schaffen, nimmt er sowohl Spieler, Trainer, Vereine, Polizei als auch Schiedsrichter in die gemeinsame Pflicht. Er ist ein Mensch der Kooperation und der Entscheidung. Darüber hinaus hat er im Fußballgeschäft viele interessante Anekdoten erlebt, die in diesem Buch ohne großes Brimborium erzählt werden. Durch diese kurzweilige Erzählweise kann man das Buch getrost jedem Fußballfan ans Herz legen, der über die Zeit zwischen 1998 und 2004 das ein oder andere interessante Detail erfahren will. Mir sind die Anekdoten um Luis Figo und Tony Adams im Gedächtnis geblieben. Und ich würde mit Urs Meier gerne ein Bier trinken. Wahrscheinlich wird es mehr als eins, bis wir Profischiedsrichter haben werden. Prost!