Sportbuch 04/2017: Über Reisen und die Suche nach sich selbst

“Morgen geht der Flieger. Diesen Text will ich schreiben, bevor ich seit einiger Zeit mal wieder in die Ferne entschwinde. Ich will mir noch kurze einen Vorsprung erarbeiten. Seit nunmehr 15 Monaten schreibe ich regelmäßig über Sportbücher und auch im April will ich wieder pünktlich sein. Mein Koffer ist voll mit Büchern und auch im Urlaub werde ich das ein oder andere Sportbuch lesen. Aber nach dem Urlaub habe ich vielleicht erstmal keine Lust darüber zu schreiben. Urlaub und Abstand bedeutet für mich auch, Ziele neu zu setzen und zu überprüfen, was wesentlich ist. Hierfür wird es eindeutig Zeit. Ich bin ausgelaugt und müde und der Urlaub kommt gerade zum rechten Zeitpunkt.” 

Das ist nun schon wieder einige Zeit her. Der Urlaub ist vorbei und der Text lag nun lange genug im Entwurfordner. 

 

Ein ehemaliger Profifußballer hat genau über diese Erfahrung des Reisens ein Buch geschrieben. In Nachspielzeit von Timo Heinze reist der Autor im Sommer nach seiner Profikarriere nach Bali, um auch zu sich selbst zu finden. Das Buch hat dabei zwei Handlungsstränge: die Erfahrungen während genau dieser Reise und seine Karriere als Fußballer. In der breiten Öffentlichkeit würde man Timo Heinzes Karriere wohl als unvollendet bezeichnen. Nach Jahren in der Bayern Jugend, Einsätzen in Jugendnationalmannschaften und einem Einsatz bei Oliver Kahns Abschiedsspiel hat es nicht zu mehr gereicht als 3. Liga und das auch nur kurz. Es ist dabei bewundernswert, wie offen Timo Heinze auch über die psychischen Anforderungen an einen Profifußballer und an die entsprechenden Belastungen spricht. Nachdem Timo Heinze selbst mit Sebastian Deistler trainiert hat und auch Jahre nach dem Selbstmord von Robert Enke ist diese Offenheit besonders wichtig, da immer noch nicht selbstverständlich. 

Man merkt bei der Lektüre, dass Timo Heinze seine Karriereentwicklung noch nicht komplett verarbeitet hat und selbst mit sich noch nicht im Reinen ist. Auch das ist erfrischend. Er lässt das Unperfekte bewusst zu. Und nach seinen Erfahrungen in der Fußballwelt und seiner Reise nach Bali wünscht man sich, dass er mittlerweile seinen Weg gefunden hat. Seinen bisherigen Weg hat er kurzweilig und mit einigen Insides zum großen Fußballzirkus dargelegt und so für ein Buch gesorgt, was man schon mal zwischenrein lesen kann. Ein Klassiker und Must Read ist es allerdings nicht. Dafür hat Timo Heinze in der Welt des Fußballs nicht gesehen und sind schon zu viele Menschen nach Bali gereist. Aber mein Interesse hat seine Geschichte bei mir definitiv geweckt. Was wohl aus ihm geworden ist? Ich hoffe, es geht ihm gut. 

Sportbuch 02/2017: Warum Robert Enke so wichtig ist

Diese Reihe legt ja keinen Wert auf Tagesaktualität. Ronald Rengs Buch über Robert Enke Robert Enke – Ein allzu kurzes Leben lag hier einige Jahre im Regal. Irgendwie fehlte mir die Muße mich auf dieses Buch einzulassen. Ich hatte Vorurteile. Ich spreche auch regelmäßig mit anderen Menschen über den aktuellen Lesestoff und die Reaktionen waren oft eher ablehnend so nach dem Motto: Warum liest Du in deiner Freizeit so etwas trauriges. Versteht mich nicht falsch, das Buch enthält todtraurige Passagen. Aber zuerst ist es ein wunderbares Buch über einen Menschen, den ich gerne kennengelernt hätte. 

 

Ein Sneak Peak auf das Sportbuch 2017. Februar oder März kommt dann der Langtext. #Sportbuch2017 #Fussballbuch

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Ronald Reng ist ein tolles Buch gelungen, dass eventuell die beste Sportlerbiografie meiner Kenntnis ist. Das Buch profitiert enorm vom persönlichen Kontakt des Autors mit dem Sportler, der wirklich eine persönliche Beziehung darstellte und nicht nur oberflächlich war. Reng gelingt es diesen persönlichen Kontakt ins Buch einfließen zu lassen. Zudem ist er wohl einer der begabtesten Sportautoren der Gegenwart und schafft es die Fakten und Vorgänge rund um das Leben und die Karriere von Robert Enke mit seinem journalistischen Blick einzuordnen und in einen Gesamtkontext zu setzen. 

Neben dem Leben von Robert Enke bekommt man einen tollen Einblick in die Vorgänge bei Benfica Lissabon, Barca, Borussia Mönchengladbach und Hannover 96. Insgesamt hat Ronald Reng einen enormen Blick für das Fußballgeschäft an sich. Robert Enke steht dabei immer im Vordergrund. Die Karriere eines der besten deutschen Torhüter der letzten 20 Jahre, der sich v.a. auf einer persönlichen Ebene immer positiv von den Kahns und Lehmanns abgehoben hat. Das genau diese überaus sympathische Person an der Krankheit Depression zerbrochen und gescheitert ist, weil eventuell auch der öffentliche Druck einen offenen Umgang mit psychischen Krankheiten nicht zulässt, ist immer noch überaus tragisch. Derweil sollte uns allen das Buch helfen, die Krankheit Depression als genau das anzuerkennen: eine Krankheit. 

Immer noch leben in Deutschland wohl viele Menschen mit dem Geheimnis einer psychischen Krankheit und trauen sich nicht, diese gegenüber Freunden und Familie zu offenbaren. Dagegen sollten wir gemeinsam weiter vorgehen. Die Robert Enke Stiftung geht hier voran und unterstützt Projekte, die sich auf die  Aufklärung und Erforschung von Depression konzentrieren. Diese Arbeit ist immer noch von enormer Wichtigkeit.

Jedem Fan sollte dabei die eigene Rolle im Stadion bewusst sein. Wie mit Fußballspielern umgegangen wird, ist nicht mit sozialem Verhalten erklärbar. Assoziale Beschimpfungen können in Stadien auch heute noch regelmäßig beobachtet werden. Lasst uns alle dazu beitragen, dass diese in Stadien aussterben. Sprecht sie offen an und toleriert sie auch bei anderen nicht. Unterstützt euer Team und eure Spieler. Das nächste Bier geht dann auf mich, egal von welchem Verein ihr ein Fan seid.  

Sportbuch 01/2017: Fussballgefühle auch in der Winterpause

Beschlossen ist beschlossen: 2017 geht es weiter mit dem Sportbuch. Ich werde weiter 1 Buch pro Monat vorstellen, dass sich hauptsächlich mit Sport beschäftigt. Ich habe im letzten Jahr viel mehr Sportbücher gelesen, als ich vorstellen konnte. Damit ihr nun auch die anderen Bücher kennen lernt, geht es weiter. Es sind definitiv ein paar Highlights dabei. Heute allerdings nicht. 

Axel Hacke hat ein kleines Büchlein mit dem Titel Fußballgefühle geschrieben, welches ich während der abgelaufenen Saison mal zwischengeschoben hatte. Das ich mich bemühen muss, mich an manche Inhalte zu erinnern, sagt wohl doch einiges über das Buch aus.

Ein großes Problem des Buchs liegt wohl daran, dass ich mich mit Axel Hacke im Bezug auf Fußball nicht identifizieren kann. Er stellt selbst, dass er kein Fan ist und Fußball eher distanziert betrachtet. Bei mir ist das nicht der Fall. Fußball ist eine Leidenschaft, etwas was ich bewusst nicht distanziert betrachte, da ich in vielen anderen Bereichen des Alltags professionell Distanz waren muss. Fußball und das Stadion sind für mich immer schon ein Umfeld, wo diese Grenzen wegbrechen. Entsprechend fühle ich mich von vielen Passagen nicht angesprochen, in denen Axel Hacke über seine eigenen Erfahrungen schreibt. Es ist mir zu oberflächlich und zu distanziert.

 

Hatte mehr erwartet. Mir oft zu oberflächlich. Wenig, was mich berührt. #Fussballgefühle #AxelHacke #Kunstmann #Fussballbuch

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Auch als Faktensammlung taugt das Buch nicht und so sind es am Ende die Passagen, in denen Axel Hacke seine Beobachtungen über andere darlegt, die mich am meisten faszinieren. Die Begegnung mit Chelsea Andy und seine Begegnungen während der WM in Frankreich sind mir dauerhaft im Gedächtnis geblieben. Für so ein Büchlein dann doch eher eine magere Ausbeute. Ganz nett aber nicht fesselnd. Im Zweifel ist das Holger Gertz’ Buch über das Verlieren eher zu empfehlen. Wem im Winter langweilig ist und das Buch in die Hände fällt, kann es trotzdem lesen. Es wird dadurch nichts kaputtgehen. Ich werde es wahrscheinlich jedoch nicht noch mal in die Hände nehmen. 

Sportbuch 12/2016: Der Weg ist das Ziel – warum man auch verlieren können muss

In diesem Jahr gab es ein Buch, dass bei mir durch die Thematik und den Autor sehr viel Vorfreude ausgelöst hat. Holger Gertz schreibt seit vielen Jahren für die Süddeutsche Zeitung und ich habe mir schon Seite 3 Reportagen von ihm abgerissen, um diese sicher zu verwahren. Seine Arbeiten zu Kurt Landauer sind mir sehr gut in Erinnerung geblieben. Allerdings hat es die Süddeutsche Zeitung bei uns nicht mehr regelmäßig geschafft, die Zeitung pünktlich auszuliefern. Unser Wochenendabo haben wir daraufhin gekündigt. Wenn mir ab und zu dennoch ein Text von Holger Gertz in die Finger gekommen ist, habe ich mich gefreut, denn Holger Gertz hat einen ausgeprägten Blick fürs Detail und verpackt seine Beobachtungen sprachlich sehr gekonnt. Als ich mitbekommen habe, dass Holger Gertz ein Buch zusammengestellt hat, war ich daher sehr erfreut. Das Thema des Buchs ist dazu aus meiner Sicht ein Volltreffer. Das Buch trägt den Titel Das Spiel ist aus: Geschichten über das Verlieren. Im Sport gibt es kaum etwas interessanteres, wie es zu Niederlagen kommt und wie Menschen damit umgehen. Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich schwieriger ist mit Niederlagen umzugehen, aber das Thema ist mindestens genau so spannend, wie Gewinner und ihre Siege zu betrachten. 

 

Nun darf man bei dem Buch keine falschen Vorstellungen haben. Holger Gertz hat vorher schon veröffentlichte Reportagen, die zum Motto des Buchs passen, zusammengefasst. Er will auch keinen Gesamtüberblick über die Thematik geben oder erhebt Anspruch auf Vollständigkeit. Er hat die Geschichten in gewisse Kategorien einsortiert; die Sortierung habe ich nicht verstanden. Die Interpretation der Geschichten bleibt zudem jedem selbst überlassen. Holger Gertz beschreibt, was er selbst sieht. Er ist sehr dezent, wenn er seine Beobachtungen eine Geschichte zuordnet. Diese muss sich aus den Fakten und Ereignissen im Zweifel selbst ergeben. Entsprechend verfügt das Buch über keinen roten Faden. Zudem wirken einige der anfänglichen Reportagen wie “Goleadors Erbe” über das Leben des Hans Krankl nach Cordoba oder “Zettels Traum” über das Wirken von Rolf Töpperwien banal und unbedeutend. 

Das Buch schafft es allerdings in der Mehrheit der Reportagen zu verzaubern oder zu rühren. Geschichten wie “Lebenslauf” über den amerikanischen Sprinter Marty Glickman sind eine lebendige Warnung dem Antisemitismus keinen Fußbreit Platz zu lassen. “Tor in Pjöngjang” über Marcel Reifs Reise nach Nordkorea, “Celle, angolanisiert” über den Aufenthalt der angolanischen Nationalmannschaft 2006 in Celle und “Sechster Ring aus Sachsen” über das Auftreten der Bundeslands Sachsen bei den Winterspielen in Turin entführen in Parallelgesellschaften. “Heldendämmerung” über das Leben des WM-Helden von 54 Werner Kohlmeyer, “Morgengrauen” über die persönliche Geschichte der Schwimmerin Karen James bei den olympischen Spielen 1972 und auch “Ende Legende” über das Karriereende von Franziska van Almsick zeigen auch wie erfolgreiche Personen an Druck scheitern können und stellen Warnungen dar. Holger Gertz würde diese Geschichten nie als Warnung beschreiben, dennoch habe ich früh gelernt, lieber aus den Fehlern anderer zu lernen als aus eigenen. Der genaue Blick von Gertz auf Details kann als Empathie missverstanden werden, wo er doch die Geschichten nur ausbreitet und dem Leser das Urteil überlässt. Mich ergreift das. Die sprachliche Gewandheit von Gertz ist beeindruckend, wobei er sich in Phasen etwas zu sehr verliert. Man möchte im dann vom Spielfeldrand zurufen: “Einfachheit ist Trumpf. Verdribble dich nicht.”. Dennoch sind auch diese Passagen, wie so manches Dribbling in der Realität, schön anzusehen, wenn sie schon keinen Mehrwert bieten. 

Ich jedenfalls habe das Buch gerne gelesen und bin froh, manche der Reportagen auch in der Zukunft nochmal nachlesen zu können. Auf diesem Wege geht so manche eindrucksvolle Geschichte nicht verloren. 

Mit diesem Buch endet mein Sportbuchjahr 2016. 12 Sportbücher habe ich euch über das Jahr hinweg vorgestellt. Welches hat euch am besten gefallen, welches habt ihr selbst gelesen? Soll es weitergehen? Wir werden was 2017 für uns bereithält. 

Sportbuch 11/2016: What about Manchester City?

Während die italienische Serie A seit meiner Jugend deutlich an Strahlkraft verloren hat und es in Spanien immer nur auf ein Titelrennen zwischen 2-3 Vereinen hinausläuft (ja, ich weiß, dass es in Deutschland auch nicht besser ist), ist die Premier League wohl momentan die spannendste Liga mit dem größten Wettbewerb zwischen den Topvereinen in Europa. Dabei sind einige Vereine im Ausland bekannter oder beliebter als andere. Manchester United oder auch Arsenal London waren neben dem FC Liverpool schon länger bekannt, wohingegen Chelsea (früher) oder Manchester City (vor kurzem) in meiner Wahrnehmung erst wachsen mussten. Ich als Augsburger habe im Frühjahr einen kleinen Ausflug in der Europa League an die Anfield Road unternommen und in diesem Zusammenhang einen Second Hand Buchladen nach Fußballbüchern durchstöbert. Ich musste mich zurückhalten, um nicht zu viele Werke zu erstehen, denn zum Lesen muss man schlussendlich ja auch kommen. Eines dieser Bücher hat mir Manchester City sehr viel näher gebracht und ich bin froh es dort aufgetrieben zu haben.

 

Es geht um die Biografie von Paul Lake mit dem Titel I’m not really here – A Life of two halves. Paul Lake war ein hoch veranlagter Jugendspieler von Manchester City mit dem Traum, diesen Club über lange Jahre als Profi zu vertreten. Am Ende kam es anders als geplant und viele Verletzungen bzw. die falsche Behandlung derselben haben seine Profikarriere verkürzt. Zwischen 1990 und 1996 hat er für die Citizens im Profibereich gespielt und war am Ende Kapitän und Identifikationsfigur. Im erweiterten Kader der englischen Nationalmannschaft hat es nur zu einem Auftritt in der B-Elf gereicht. “Nur” deshalb, weil Lake wohl das größte Talent in vielen Jahren war, dass City hervorgebracht hatte. Die Hoffnungen, die mit seiner Karriere verbunden waren, gingen weit über das erreichte hinaus. 

Umso ergreifender ist es, dass Paul Lakes Buch sehr persönlich geschrieben ist. Es gibt viele Einblicke in das Leben eines Profifußballers und hinter die Kulissen bei Manchester City. Auch die Geschichte des Clubs kommt genau wie die Entwicklungen nach Lakes Abschied aus der Profimannschaft nicht zu kurz. Der Investoreneinstieg und die positiven Entwicklungen, die damit verbunden waren, werden am Ende dargestellt. Wer abseits des persönlichen Schicksals von Paul Lake diesen Club näher kennen lernen will, ist bei diesem Buch genau richtig. Sein Lebensweg ist dabei nicht minder beeindruckend und bietet eine interessante Perspektive auf den Profifußball in den 80er und 90er Jahren. Nach einigen Längen zu Beginn habe ich das Buch später kaum mehr aus der Hand gelegt. Das Durchhalten hat sich gelohnt. Ich kann es nur weiterempfehlen. 

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